Kleine Anfrage der Grünen zur Situation der Lehrkräfte in Integrationskursen
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Kleine Anfrage der Grünen zur Situation der Lehrkräfte in Integrationskursen
Kleine Anfrage der Grünen zur Situation der Lehrkräfte in Integrationskursen vom 10.06.15
Quelle: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/052/1805209.pdf
Kommentare von GN
34. Wie viele Lehrkräfte haben in den Jahren 2011 bis 2014 bei den zugelassenen
Integrationskursträgern gearbeitet (bitte nach Frauen und Männern aufschlüsseln)?
Das BAMF hat vor wenigen Monaten eine Mail-Umfrage unter den DeutschlehrerInnen gemacht, wer denn eigentlich noch in Integrationskursen arbeitet. Viele KollegInnen haben die Mail aber nicht erhalten. Wir gehen davon aus, dass das BAMF keinen Überblick hat, wie viele KollegInnen in den Kursen arbeiten.
a) Wie viele von ihnen waren mit welchem Stundenumfang fest angestellt
(bitte nach Frauen und Männern aufschlüsseln)?
b) Wie viele von ihnen haben in welchem Stundenumfang als Honorarkräfte
gearbeitet (bitte nach Frauen und Männern aufschlüsseln)?
35. Wie werden die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und wie die Honorarkräfte
– nach Kenntnis der Bundesregierung – durchschnittlich vergütet
(bitte monatlich und pro Zeitstunde)?
Das BAMF kann und will gar nicht kontrollieren, wieviel ein Träger wirklich zahlt. Das BAMF müsste sich Kontoauszüge und Arbeitspläne von 15.000 Lehrkräften angucken. Alles andere sind freiwillige, aber unprüfbare Angaben der Träger. Das Durchschnittshonorar liegt bei 20 € pro Unterrichtseinheit, was einem Monats“gewinn“ von 990 € entspricht, bei 25 Unterrichtseinheiten.
36. Welche neueren Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die unterschiedliche
Entlohnung bzw. Vergütung
a) von männlichen und weiblichen Lehrkräften bzw.
b) von Lehrkräften bei gemeinnützigen, kirchlichen und kommunalen Trägern bzw. bei privaten Sprachschulen (vgl. Erfahrungsbericht der Bundesregierung zur Durchführung und Finanzierung der Integrationskurse; Bundestagsdrucksache 16/6043)?
37. Inwieweit ist es Haltung der Bundesregierung, dass die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD Ende des Jahres 2013 angekündigte Einführung einer „angemessenen Honorierung der Lehrkräfte“ mit der Erhöhung des Kostenerstattungssatzes zum 1. Januar 2013 bereits erfolgt und dass eine weitere Anhebung des Kostenerstattungssatzes derzeit nicht geplant sei (bitte begründen)?
Offensichtlich hält die Bundesregierung 990 € netto pro Monat für eine Vollzeittätigkeit für angemessen.
Wenn ja, wie ist es möglich, ein Ende des Jahres 2013 getätigtes Versprechen der neuen Koalitionsregierung durch einen Vorgang als erfüllt darzustellen, der noch in den Verantwortungsbereich der Vorgängerregierung fällt? Wenn nein, welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die versprochene „angemessenen Honorierung der Lehrkräfte“ Wirklichkeit werden zu lassen?
Die Regierung wird keine Maßnahmen ergreifen, weil sie 20 €, also 990 € „Gewinn“, für diesen Job für angemessen hält. Mehr ist der Regierung diese Arbeit nicht wert. Ein Honorar von 30 € würde einem „Gewinn“ von 1414 € gleichkommen. Das ist auch keine wesentliche Verbesserung, aber leider immer noch die aktuelle Forderung der Grünen. Mit dieser Forderung wird der Weg zu einer Gleichstellung mit LehrerInnen an öffentlichen Schulen versperrt, weil die Scheinselbstständigkeit implizit anerkannt wird.
38. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Forderung der neunten Integrationsministerkonferenz vom 19./20. März 2015 (TOP 4.5), den Kostenerstattungssatz in Höhe von derzeit 20 Euro zu erhöhen?
39. Wie bewertet die Bundesregierung die Feststellung im zehnten Lagebericht ihrer Integrationsbeauftragten, dass der eigentliche Zweck der Kostenerstattungssatzerhöhung dadurch unterlaufen wird, dass die zusätzlichen Mittel von den Kursträgern offenbar nur „zu einem geringem Teil zur Verbesserung der Lehrkräftevergütung“ verwendet werden (vgl. Bundestagsdrucksache 18/3015, S. 45), und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie daraus?
Kursträger sind profitorientierte Unternehmen, die das Geld gerne für sich behalten, wenn man es ihnen freistellt, ob sie es weitergeben. Nach der Theorie von Adam Smith nutzt das Eigeninteresse des Bildunsunternehmers dem gesellschaftlichen Gesamtinteresse. Die Integrationskurse sind nach der Theorie des Trickle-down konzipiert.
Zitat: „2013 stellte Papst Franziskus in seinem apostolischen Schreiben fest, dass die nie bestätigte Trickle-down-Theorie ein „undifferenziertes, naives Vertrauen auf die Güte derer aus[drücke], die die wirtschaftliche Macht in Händen halten, wie auch auf die vergötterten Mechanismen des herrschenden Wirtschaftssystems.““ (Wikipedia)
40. Wird die Bundesregierung die strukturelle Schwäche bei der Durchsetzung einer sozialen Zweckbindung der Mittelerhöhung korrigieren? Wenn ja, wann, und durch welche Maßnahmen?
Da die Bundesregierung selbst diese Mittel erbringen müsste, um sie direkt oder indirekt (über die Träger) den Lehrkräften zukommen zu lassen, ist die Regierung der Meinung, dass man bei Verträgen zwischen selbstständigen Lehrkräften und Trägern nicht eingreifen darf. Deshalb wird die Bundesregierung diese vermeintliche Schwäche nicht korrigieren. Es handelt sich in Wirklichkeit um eine Stärke des Systems, dessen Ziel gerade in der Schaffung prekärer Arbeitsverhältnisse liegt.
41. Ist es zutreffend, dass die Zulassung von Integrationskursträgern durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) derzeit daran geknüpft wird, dass den Lehrkräften ein Honorar von mindestens 20 Euro pro Unterrichtseinheit gezahlt wird bzw. dass andernfalls die Zulassung auf ein Jahr beschränkt wird?
Ja, das trifft zu. Wenn der Träger weniger als 20 € zahlt muss er nach einem Jahr eine neue Zulassung beantragen. Das BAMF hat aber praktisch keine Möglichkeit zu prüfen, wie viel der Träger wirklich zahlt.
Der Träger kann – ganz legal – Tausende von Euros Personalkosten auf das Job-Center abwälzen und pro Unterrichtseinheit 5 € Reingewinn machen, wenn er nur 15 € zahlt.
42. Bei wie vielen Kursträgern hat das BAMF in den Jahren 2011 und 2014 im Zuge sogenannten Vor-Ort-Kontrollen u. a. auch die Vergütung der dort beschäftigten Lehrkräfte geprüft (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
Diese Kontrollen sind ein schöner Schein. Nicht die Träger, die weniger als 20 € zahlen, sind das Problem, sondern der Durchschnitts“gewinn“ von 990 € monatlich. Man braucht keine Kontrollen um festzustellen, dass einige schwarze Schafe noch weniger zahlen, sondern das staatlich vorgesehene Einkommen ist das Problem.
43. In wie vielen Fällen wurde eine Vergütung
a) von 20 Euro und mehr,
b) zwischen 15 und 20 Euro,
c) zwischen 10 und 15 Euro,
d) unter 10 Euro
festgestellt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
44. In wie vielen Fällen wurde die Zulassung von Kursträgern im Zeitraum der
Jahre 2011 bis 2014 mit Verweis auf die Zahlung von weniger als 20 Euro
Stundenhonorar auf ein Jahr befristet (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
a) In wie vielen Fällen und aus welchen Gründen wurde die Zulassung nach
einem Jahr nicht verlängert bzw. widerrufen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
b) In wie vielen Fällen wurde eine erneute, befristete Verlängerung der Zulassung
ausgesprochen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
c) Wie hat sich die Vergütung bei den betroffenen Kursträgern entwickelt?
d) Ist es möglich, dass Kursträger mit einer immer wieder erneuerten, auf zwölf Monate befristeten Zulassung arbeiten, ohne sich an die Mindestvergütungsgrenze des BAMF zu halten?
Sicher ist das möglich. Wenn man bei 1000 Unterrichtseinheiten pro Jahr je 5 € einspart, und drei solcher Kurse laufen hat, dann spart man pro Jahr 15.000 € Personalkosten, ganz legal. Dafür beantragt man einmal pro Jahr eine neue Zulassung – dauert wahrscheinlich 30 Minuten, das macht die Sekretärin. So sieht die „Kontrolle“ durch das BAMF aus. Es ist auch möglich, dass der Träger mit DozentInnen arbeitet, die gar keine BAMF-Zulassung haben. Der Träger gibt einfach den Namen einer anderen Dozentin an, die vielleicht früher dort mal gearbeitet hat. Das kontrolliert doch keiner. Zumal im Integrationskurs viele ganz ohne Arbeitsvertrag arbeiten. Es wurden auch die einen oder anderen Fahrtkosten erst Monate nach Beendigung des Kurses an die TeilnehmerInnen weitergeleitet – ohne nachvollziehbare Abrechnung. Ob die Träger sämtliche Fahrtkosten an die TeilnehmerInnen weiterleiten wird vom BAMF nicht kontrolliert.
Wenn ja, wie beurteilt die Bundesregierung dies, und inwiefern wird sie die Änderung dieser Praxis veranlassen?
45. Wie viele Honorarkräfte bezogen in den Jahren 2011bis 2014 nach Kenntnis der Bundesregierung ergänzende Sozialleistungen, und welche Gesamtkosten sind dadurch nach Kenntnis bzw. Einschätzung der Bundesregierung für die öffentliche Hand entstanden?
Für solche Fragen ist die Bundesregierung nicht zuständig, weil wir ja „selbstständig“ sind. Darin liegt ja gerade der Sinn der „Selbstständigkeit“: ein Selbstständiger hat keinen Anspruch darauf, einen Mindestlohn oder ein Mindesthonorar zu bekommen. Heinrich Alt von der Bundesagentur für Arbeit bezweifelt regelmäßig, dass Selbstständige überhaupt Hartz IV bekommen sollten. Wenn sich ein „Geschäftsmodell“ nicht rechnet, muss man es aufgeben.
Zitat Heinrich Alt: „„Irgendwann muss man schwarze Zahlen schreiben oder — so weh es tut — die Selbständigkeit aufgeben. Der Steuerzahler kann nicht auf Dauer eine nicht tragfähige Geschäftsidee mitfinanzieren."
http://www.akademie.de/wissen/aufstocker-hartz-iv-entzug-streichung
46. Ermittelt das BAMF im Zuge seiner Kursträger-Kontrollen nunmehr auch, wie viele Lehrkräfte aufgrund der unzureichenden Vergütung als sogenannte Aufstocker auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) angewiesen sind? Wenn ja, wieviele (vgl. Bundestagsdrucksache 17/2993, Frage 29)? Wenn nein, warum nicht?
Das BAMF wird hierzu keine aussagekräftigen quantitativen Statistiken anbieten können, weil es diese Daten nicht erhebt. Um sich ein Bild zu machen wäre eine qualitative Datenerhebung in Form von Interviews mit Betroffenen besser geeignet.
47. Sind der Bundesregierung aus den Jahren 2011 bis 2014 Statusfeststellungsverfahren der Rentenversicherung oder arbeitsgerichtliche Verfahren bekannt, in denen die Frage einer möglichen Scheinselbstständigkeit von freiberuflichen Integrationskurslehrkräften verhandelt worden ist? Wenn ja, welche, und wie wurden sie abgeschlossen?
Auch diese Zahlen sind der Bundesregierung und auch den Parteien nicht bekannt, weil sie nie systematisch gesammelt wurden. Einzelne Lehrkräfte können aber sehr detaillierte Einsichten in solche Verfahren vermitteln, falls das gewünscht ist.
48. Hat sich die so genannte Integrationskurs-Bewertungskommission (§ 21 IntV) seit dem Jahr 2009 mit der Frage der Vergütung der Lehrkräfte der Integrationskurse beschäftigt? Wenn ja, mit welcher Fragestellung und welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht?
Hat sie! Aber was sagt denn der wissenschaftliche Dienst des Bundestages zu dieser Frage? Die Grünen haben schon sehr früh diese Anfrage an den wissenschaftlichen Dienst gestellt, aber die Stellungnahme finden wir nicht im Internet.
49. Ist es zutreffend, dass die Bewertungskommission auf ihrer letzten Sitzung am 11. November 2014 empfohlen hat, das Rahmencurriculum der Integrationskurse „im Hinblick auf die Frage der Scheinselbstständigkeit von freiberuflichen Lehrkräften anzupassen“?
Scheinselbstständigkeit im Sinne des § 7 SGB IV lässt sich auch durch ein neues Curriculum nicht abschütteln, weil es auf die tatsächlichen Arbeitsverhältnisse ankommt, nicht auf den Arbeitsvertrag. Die Lehrkräfte könnten sehr wohl als „richtige“ Selbstständige arbeiten, wenn sie direkt mit dem BAMF ein Honorar von 60 € vereinbaren könnten und die Kurse bei sich zu Hause veranstalten könnten. Aber solange sie für ein nach oben gedeckeltes Honorar arbeiten, bei einem Träger wo sie in die Strukturen eingegliedert sind (sein müssen!) lässt sich an dem falschen Arbeitsstatus nichts ändern. Lehrer an einer Schule sind auch keine „Selbstständigen“, die dort „Aufträge“ ausführen.
Wenn ja, in welcher Hinsicht, und mit welcher sozialrechtlichen Intention sollte das Rahmencurriculum nach Ansicht der Kommission und nach Ansicht der Bundesregierung angepasst werden?
50. Ist diese Anpassung inzwischen erfolgt?
Wenn ja, wann, und wo ist diese Änderung dokumentiert?
Wenn nein, warum nicht, und wann ist mit dieser Anpassung zu rechnen?
51. Hat die von der Bewertungskommission geplante Unterarbeitsgruppe
(UAG) „Scheinselbstständigkeit“ inzwischen ihre Arbeit aufgenommen?
Wenn ja, welchen Arbeitsauftrag hat sie, und welchen Zeitplan verfolgt sie?
Wenn nein, warum nicht?
Wann ist mit einer Arbeitsaufnahme zu rechnen?
52. Ist das Protokoll der 24. Sitzung der Bewertungskommission insoweit zutreffend,
dass die Bundesregierung in dieser UAG nicht vertreten ist?
Wenn ja, warum nicht?
Wenn nein, wer vertritt die Bundesregierung in der UAG (bitte genaue Angabe)?
Quelle: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/052/1805209.pdf
Kommentare von GN
34. Wie viele Lehrkräfte haben in den Jahren 2011 bis 2014 bei den zugelassenen
Integrationskursträgern gearbeitet (bitte nach Frauen und Männern aufschlüsseln)?
Das BAMF hat vor wenigen Monaten eine Mail-Umfrage unter den DeutschlehrerInnen gemacht, wer denn eigentlich noch in Integrationskursen arbeitet. Viele KollegInnen haben die Mail aber nicht erhalten. Wir gehen davon aus, dass das BAMF keinen Überblick hat, wie viele KollegInnen in den Kursen arbeiten.
a) Wie viele von ihnen waren mit welchem Stundenumfang fest angestellt
(bitte nach Frauen und Männern aufschlüsseln)?
b) Wie viele von ihnen haben in welchem Stundenumfang als Honorarkräfte
gearbeitet (bitte nach Frauen und Männern aufschlüsseln)?
35. Wie werden die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und wie die Honorarkräfte
– nach Kenntnis der Bundesregierung – durchschnittlich vergütet
(bitte monatlich und pro Zeitstunde)?
Das BAMF kann und will gar nicht kontrollieren, wieviel ein Träger wirklich zahlt. Das BAMF müsste sich Kontoauszüge und Arbeitspläne von 15.000 Lehrkräften angucken. Alles andere sind freiwillige, aber unprüfbare Angaben der Träger. Das Durchschnittshonorar liegt bei 20 € pro Unterrichtseinheit, was einem Monats“gewinn“ von 990 € entspricht, bei 25 Unterrichtseinheiten.
36. Welche neueren Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die unterschiedliche
Entlohnung bzw. Vergütung
a) von männlichen und weiblichen Lehrkräften bzw.
b) von Lehrkräften bei gemeinnützigen, kirchlichen und kommunalen Trägern bzw. bei privaten Sprachschulen (vgl. Erfahrungsbericht der Bundesregierung zur Durchführung und Finanzierung der Integrationskurse; Bundestagsdrucksache 16/6043)?
37. Inwieweit ist es Haltung der Bundesregierung, dass die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD Ende des Jahres 2013 angekündigte Einführung einer „angemessenen Honorierung der Lehrkräfte“ mit der Erhöhung des Kostenerstattungssatzes zum 1. Januar 2013 bereits erfolgt und dass eine weitere Anhebung des Kostenerstattungssatzes derzeit nicht geplant sei (bitte begründen)?
Offensichtlich hält die Bundesregierung 990 € netto pro Monat für eine Vollzeittätigkeit für angemessen.
Wenn ja, wie ist es möglich, ein Ende des Jahres 2013 getätigtes Versprechen der neuen Koalitionsregierung durch einen Vorgang als erfüllt darzustellen, der noch in den Verantwortungsbereich der Vorgängerregierung fällt? Wenn nein, welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die versprochene „angemessenen Honorierung der Lehrkräfte“ Wirklichkeit werden zu lassen?
Die Regierung wird keine Maßnahmen ergreifen, weil sie 20 €, also 990 € „Gewinn“, für diesen Job für angemessen hält. Mehr ist der Regierung diese Arbeit nicht wert. Ein Honorar von 30 € würde einem „Gewinn“ von 1414 € gleichkommen. Das ist auch keine wesentliche Verbesserung, aber leider immer noch die aktuelle Forderung der Grünen. Mit dieser Forderung wird der Weg zu einer Gleichstellung mit LehrerInnen an öffentlichen Schulen versperrt, weil die Scheinselbstständigkeit implizit anerkannt wird.
38. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Forderung der neunten Integrationsministerkonferenz vom 19./20. März 2015 (TOP 4.5), den Kostenerstattungssatz in Höhe von derzeit 20 Euro zu erhöhen?
39. Wie bewertet die Bundesregierung die Feststellung im zehnten Lagebericht ihrer Integrationsbeauftragten, dass der eigentliche Zweck der Kostenerstattungssatzerhöhung dadurch unterlaufen wird, dass die zusätzlichen Mittel von den Kursträgern offenbar nur „zu einem geringem Teil zur Verbesserung der Lehrkräftevergütung“ verwendet werden (vgl. Bundestagsdrucksache 18/3015, S. 45), und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie daraus?
Kursträger sind profitorientierte Unternehmen, die das Geld gerne für sich behalten, wenn man es ihnen freistellt, ob sie es weitergeben. Nach der Theorie von Adam Smith nutzt das Eigeninteresse des Bildunsunternehmers dem gesellschaftlichen Gesamtinteresse. Die Integrationskurse sind nach der Theorie des Trickle-down konzipiert.
Zitat: „2013 stellte Papst Franziskus in seinem apostolischen Schreiben fest, dass die nie bestätigte Trickle-down-Theorie ein „undifferenziertes, naives Vertrauen auf die Güte derer aus[drücke], die die wirtschaftliche Macht in Händen halten, wie auch auf die vergötterten Mechanismen des herrschenden Wirtschaftssystems.““ (Wikipedia)
40. Wird die Bundesregierung die strukturelle Schwäche bei der Durchsetzung einer sozialen Zweckbindung der Mittelerhöhung korrigieren? Wenn ja, wann, und durch welche Maßnahmen?
Da die Bundesregierung selbst diese Mittel erbringen müsste, um sie direkt oder indirekt (über die Träger) den Lehrkräften zukommen zu lassen, ist die Regierung der Meinung, dass man bei Verträgen zwischen selbstständigen Lehrkräften und Trägern nicht eingreifen darf. Deshalb wird die Bundesregierung diese vermeintliche Schwäche nicht korrigieren. Es handelt sich in Wirklichkeit um eine Stärke des Systems, dessen Ziel gerade in der Schaffung prekärer Arbeitsverhältnisse liegt.
41. Ist es zutreffend, dass die Zulassung von Integrationskursträgern durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) derzeit daran geknüpft wird, dass den Lehrkräften ein Honorar von mindestens 20 Euro pro Unterrichtseinheit gezahlt wird bzw. dass andernfalls die Zulassung auf ein Jahr beschränkt wird?
Ja, das trifft zu. Wenn der Träger weniger als 20 € zahlt muss er nach einem Jahr eine neue Zulassung beantragen. Das BAMF hat aber praktisch keine Möglichkeit zu prüfen, wie viel der Träger wirklich zahlt.
Der Träger kann – ganz legal – Tausende von Euros Personalkosten auf das Job-Center abwälzen und pro Unterrichtseinheit 5 € Reingewinn machen, wenn er nur 15 € zahlt.
42. Bei wie vielen Kursträgern hat das BAMF in den Jahren 2011 und 2014 im Zuge sogenannten Vor-Ort-Kontrollen u. a. auch die Vergütung der dort beschäftigten Lehrkräfte geprüft (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
Diese Kontrollen sind ein schöner Schein. Nicht die Träger, die weniger als 20 € zahlen, sind das Problem, sondern der Durchschnitts“gewinn“ von 990 € monatlich. Man braucht keine Kontrollen um festzustellen, dass einige schwarze Schafe noch weniger zahlen, sondern das staatlich vorgesehene Einkommen ist das Problem.
43. In wie vielen Fällen wurde eine Vergütung
a) von 20 Euro und mehr,
b) zwischen 15 und 20 Euro,
c) zwischen 10 und 15 Euro,
d) unter 10 Euro
festgestellt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
44. In wie vielen Fällen wurde die Zulassung von Kursträgern im Zeitraum der
Jahre 2011 bis 2014 mit Verweis auf die Zahlung von weniger als 20 Euro
Stundenhonorar auf ein Jahr befristet (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
a) In wie vielen Fällen und aus welchen Gründen wurde die Zulassung nach
einem Jahr nicht verlängert bzw. widerrufen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
b) In wie vielen Fällen wurde eine erneute, befristete Verlängerung der Zulassung
ausgesprochen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
c) Wie hat sich die Vergütung bei den betroffenen Kursträgern entwickelt?
d) Ist es möglich, dass Kursträger mit einer immer wieder erneuerten, auf zwölf Monate befristeten Zulassung arbeiten, ohne sich an die Mindestvergütungsgrenze des BAMF zu halten?
Sicher ist das möglich. Wenn man bei 1000 Unterrichtseinheiten pro Jahr je 5 € einspart, und drei solcher Kurse laufen hat, dann spart man pro Jahr 15.000 € Personalkosten, ganz legal. Dafür beantragt man einmal pro Jahr eine neue Zulassung – dauert wahrscheinlich 30 Minuten, das macht die Sekretärin. So sieht die „Kontrolle“ durch das BAMF aus. Es ist auch möglich, dass der Träger mit DozentInnen arbeitet, die gar keine BAMF-Zulassung haben. Der Träger gibt einfach den Namen einer anderen Dozentin an, die vielleicht früher dort mal gearbeitet hat. Das kontrolliert doch keiner. Zumal im Integrationskurs viele ganz ohne Arbeitsvertrag arbeiten. Es wurden auch die einen oder anderen Fahrtkosten erst Monate nach Beendigung des Kurses an die TeilnehmerInnen weitergeleitet – ohne nachvollziehbare Abrechnung. Ob die Träger sämtliche Fahrtkosten an die TeilnehmerInnen weiterleiten wird vom BAMF nicht kontrolliert.
Wenn ja, wie beurteilt die Bundesregierung dies, und inwiefern wird sie die Änderung dieser Praxis veranlassen?
45. Wie viele Honorarkräfte bezogen in den Jahren 2011bis 2014 nach Kenntnis der Bundesregierung ergänzende Sozialleistungen, und welche Gesamtkosten sind dadurch nach Kenntnis bzw. Einschätzung der Bundesregierung für die öffentliche Hand entstanden?
Für solche Fragen ist die Bundesregierung nicht zuständig, weil wir ja „selbstständig“ sind. Darin liegt ja gerade der Sinn der „Selbstständigkeit“: ein Selbstständiger hat keinen Anspruch darauf, einen Mindestlohn oder ein Mindesthonorar zu bekommen. Heinrich Alt von der Bundesagentur für Arbeit bezweifelt regelmäßig, dass Selbstständige überhaupt Hartz IV bekommen sollten. Wenn sich ein „Geschäftsmodell“ nicht rechnet, muss man es aufgeben.
Zitat Heinrich Alt: „„Irgendwann muss man schwarze Zahlen schreiben oder — so weh es tut — die Selbständigkeit aufgeben. Der Steuerzahler kann nicht auf Dauer eine nicht tragfähige Geschäftsidee mitfinanzieren."
http://www.akademie.de/wissen/aufstocker-hartz-iv-entzug-streichung
46. Ermittelt das BAMF im Zuge seiner Kursträger-Kontrollen nunmehr auch, wie viele Lehrkräfte aufgrund der unzureichenden Vergütung als sogenannte Aufstocker auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) angewiesen sind? Wenn ja, wieviele (vgl. Bundestagsdrucksache 17/2993, Frage 29)? Wenn nein, warum nicht?
Das BAMF wird hierzu keine aussagekräftigen quantitativen Statistiken anbieten können, weil es diese Daten nicht erhebt. Um sich ein Bild zu machen wäre eine qualitative Datenerhebung in Form von Interviews mit Betroffenen besser geeignet.
47. Sind der Bundesregierung aus den Jahren 2011 bis 2014 Statusfeststellungsverfahren der Rentenversicherung oder arbeitsgerichtliche Verfahren bekannt, in denen die Frage einer möglichen Scheinselbstständigkeit von freiberuflichen Integrationskurslehrkräften verhandelt worden ist? Wenn ja, welche, und wie wurden sie abgeschlossen?
Auch diese Zahlen sind der Bundesregierung und auch den Parteien nicht bekannt, weil sie nie systematisch gesammelt wurden. Einzelne Lehrkräfte können aber sehr detaillierte Einsichten in solche Verfahren vermitteln, falls das gewünscht ist.
48. Hat sich die so genannte Integrationskurs-Bewertungskommission (§ 21 IntV) seit dem Jahr 2009 mit der Frage der Vergütung der Lehrkräfte der Integrationskurse beschäftigt? Wenn ja, mit welcher Fragestellung und welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht?
Hat sie! Aber was sagt denn der wissenschaftliche Dienst des Bundestages zu dieser Frage? Die Grünen haben schon sehr früh diese Anfrage an den wissenschaftlichen Dienst gestellt, aber die Stellungnahme finden wir nicht im Internet.
49. Ist es zutreffend, dass die Bewertungskommission auf ihrer letzten Sitzung am 11. November 2014 empfohlen hat, das Rahmencurriculum der Integrationskurse „im Hinblick auf die Frage der Scheinselbstständigkeit von freiberuflichen Lehrkräften anzupassen“?
Scheinselbstständigkeit im Sinne des § 7 SGB IV lässt sich auch durch ein neues Curriculum nicht abschütteln, weil es auf die tatsächlichen Arbeitsverhältnisse ankommt, nicht auf den Arbeitsvertrag. Die Lehrkräfte könnten sehr wohl als „richtige“ Selbstständige arbeiten, wenn sie direkt mit dem BAMF ein Honorar von 60 € vereinbaren könnten und die Kurse bei sich zu Hause veranstalten könnten. Aber solange sie für ein nach oben gedeckeltes Honorar arbeiten, bei einem Träger wo sie in die Strukturen eingegliedert sind (sein müssen!) lässt sich an dem falschen Arbeitsstatus nichts ändern. Lehrer an einer Schule sind auch keine „Selbstständigen“, die dort „Aufträge“ ausführen.
Wenn ja, in welcher Hinsicht, und mit welcher sozialrechtlichen Intention sollte das Rahmencurriculum nach Ansicht der Kommission und nach Ansicht der Bundesregierung angepasst werden?
50. Ist diese Anpassung inzwischen erfolgt?
Wenn ja, wann, und wo ist diese Änderung dokumentiert?
Wenn nein, warum nicht, und wann ist mit dieser Anpassung zu rechnen?
51. Hat die von der Bewertungskommission geplante Unterarbeitsgruppe
(UAG) „Scheinselbstständigkeit“ inzwischen ihre Arbeit aufgenommen?
Wenn ja, welchen Arbeitsauftrag hat sie, und welchen Zeitplan verfolgt sie?
Wenn nein, warum nicht?
Wann ist mit einer Arbeitsaufnahme zu rechnen?
52. Ist das Protokoll der 24. Sitzung der Bewertungskommission insoweit zutreffend,
dass die Bundesregierung in dieser UAG nicht vertreten ist?
Wenn ja, warum nicht?
Wenn nein, wer vertritt die Bundesregierung in der UAG (bitte genaue Angabe)?
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