Initiative Bildung Prekär
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01.12.2014 An den Deutschen Volkshochschul-Verband

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Beitrag  Admin Di Dez 02, 2014 6:05 am

01.12.2014


An den Deutschen Volkshochschul-Verband:

die Präsidentin: Frau Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Rita Süssmuth,
den Vorsitzenden: Herrn Dr. Ernst Dieter Rossmann MdB,
die Stellvertretenden Vorsitzenden: Frau Dr. Dagmar Engels, Herrn K. Heinz Eisfeld und Herrn Klaus Hebborn
und den Berater: Herrn Ulrich Aengenvoort, Verbandsdirektor DVV

Kopie an:
- Prof. Joachim Ludwig, Professor für Erwachsenenbildung an der Universität Potsdam
- 650 LehrerInnen in Integrationskursen
- 330 Volkshochschul-LeiterInnen

info@dvv-vhs.de
rita.suessmuth@bundestag.de
ernst-dieter.rossmann@bundestag.de
engels@vhs-ulm.de
eisfeld@vhs-suedost.de
klaus.hebborn@staedtetag.de
aengenvoort@dvv-vhs.de
ludwig@uni-potsdam.de


Sehr gehrte Damen und Herren des Deutschen Volkshochschulverbandes,

die Initiative Bildung Prekär ist eine Gruppe von 650 Lehrkräften in Deutschland, die in Integrationskursen unterrichten.

Wir sind als selbstständig eingestufte freiberufliche Lehrkräfte

   rentenversicherungspflichtig (100% Eigenanteil)

   kranken- und pflegeversicherungspflichtig (100% Eigenanteil)

   ohne Honorarfortzahlung im Krankheitsfall

   ohne Urlaubsgeld

   ohne arbeitsrechtlichen Schutz und Anspruch bei Nichtzustandekommen eines Kurses

   ohne Sicherheiten für eine in die Zukunft gerichtete Lebens- und Familienplanung.


Die Bezahlung der Lehrkräfte für Integrationskurse ist allein Aufgabe der Sprachschulträger, insbesondere der VHSn, die vom BAMF einen viel zu geringen Betrag von 2,94 € pro Unterrichtseinheit und anwesenden Teilnehmer erhalten, um alle Ausgaben des Trägers zu decken. Darum können die Lehrkräfte nur als Honorarkäfte eingestellt werden. Sozialversicherungbeiträge werden von den Trägern nicht gezahlt. Durch die Unterfinanzierung der Integrationskurse besteht keinerlei Verhandlungsfreiheit zwischen Lehrkräft und Sprachschulträger. Es gibt für die Lehrkräfte real keinen Verhandlungspartner. Die Lehrkräfte haben weder eine Arbeitslosenversicherung, noch sind sie in der Lage, in die Rentenversicherung einzahlen. Die Lehrkräfte arbeiten auf Hartz IV-Niveau. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gibt es nicht, da die Lehrkräfte mit praxisfernen Argumenten in die (Schein-)Selbstständigkeit gedrängt werden. Rechtlich zustehendes Urlaubsentgelt wird ihnen vorenthalten. Wer es beantragt oder gar Festanstellung einklagt, verliert unabhängig vom Ausgang des Prozesses laufende und/oder folgende Lehraufträge. Von dem Geld, das die Abgeordneten im Innenausschuss bewilligen, ist eine anständige Bezahlung der Lehrkräfte nicht zu realisieren.

Wir bitten Sie daher eindringlich, dem Bundesinnenministerium und dem BAMF schriftlich mitzuteilen, dass die VHSn die Durchführung der Integrationskurse angesichts der derzeitigen und auf lange Sicht anhaltenden deutlich steigenden Nachfrage nicht mehr durchführen können, da die dafür vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel längst nicht mehr ausreichend sind. VHSn werden zunehmend wegen scheinselbstständiger Beschäftigungsverhältnisse von Lehrkräften, aber auch von der DRV verklagt. Die Rechstunsicherheit bzgl. möglichweise scheinselbstständig beschäftigter Lehrkräfte bedeutet auch für kommunal geförderte VHSn ein nicht mehr verantwortbares finanzielles Risiko.  Immer mehr freiberufliche Lehrkräfte in arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnissen stellen heute auch berechtigten Antrag auf Urlaubsentgelt nach dem BUrlG.

Zudem erfodern qualifizierte Integrationskurse heute mehr als zuvor außer der fachlich hohen Qualifikation auch berufserfahrene Lehrkräfte mit auch hoher sozialer Kompetenz. Mit ständig wechselnden, oft unerfahrenen jungen Lehrkräften, die nur auf Honorarbasis nebenberuflich beschäftigt und auf niedrigstem Niveau bezahlt werden können, ist diese Arbeit von gesellschaftlich hoher Bedeutung (siehe auch die eben veröffentlichte Bertelsmannstudie) nicht mehr verantwortlich durchführbar.

Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie in dem Zusammenhang auch auf den Koalitionsvertrag (Seite 107 "Integration und Zuwanderung gestalten") verweisen würden, der auch an dieser Stelle seit einem Jahr darauf wartet, umgesetzt zu werden.

Wir werden diese unsere dringende Bitte an Sie im Internet veröffentlichen und würden dort auch gern Ihre Stellungnahme dazu und Ihr von uns erbetenes Schreiben an das BMI und BAMF dort veröffentlichen.

Bitte beachten Sie auch weiter unten einen aktuellen Pressebericht von heute. Zitat: „Von Gehalt kann man gar nicht sprechen“, so Ludwig. „Schmerzensgeld – mehr ist es ja nicht.“

Mit herzlichem Dank
und freundlichen Grüßen

- Initiative Bildung Prekär -

Stephan Pabel
Georg Niedermüller
Marion Bergmann
Aglaja Beyes

Dozenten in prekärer Lage
von Grit Weirauch
Geldfrage. Dozentin Gudrun Spaan hat die Bezahlung thematisiert. Foto: M. Thomas

Honorarlehrkräfte der Potsdamer Volkshochschule protestieren erstmals gegen ihre schlechte Bezahlung


Innenstadt - Für Gudrun Spaan war es wie ein Tabubruch. Die Englisch-Dozentin hat, wie andere ihrer Kollegen, ihren Kursteilnehmern von ihrer Lohnsituation erzählt. „Eigentlich spricht man darüber nicht, auch nicht mit den Nachbarn. Für viele von uns ist das geringe Honorar beschämend. Es entsteht der Eindruck, man hat studiert, ist aber nicht erfolgreich.“ Manche der gestandenen Lehrenden an der Volkshochschule Potsdam (VHS) sind trotz ihrer Tätigkeit auf Hartz IV angewiesen oder haben Schulden angehäuft. Zum ersten Mal treten die Dozenten damit jetzt an die Öffentlichkeit – und können zumindest kleine Erfolge verbuchen.

Seit Jahren sind die Beschäftigungsbedingungen an der Volkshochschule prekär. Von den rund 170 Dozenten in Potsdam sind mehr als die Hälfte selbstständig und hauptberuflich an der VHS tätig. Sie erhalten ein Honorar von 22,50 Euro pro Unterrichtsstunde. Das klingt nicht wenig, doch bleibt davon kaum die Hälfte übrig. Denn Honorarlehrkräfte müssen als Selbstständige die Sozialversicherungsbeiträge selbst tragen. Außerdem sind sie verpflichtet, in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen. Demnach, so haben es Spaan und ihre Kollegin Katrin Wartenberg ausgerechnet, bleiben nur 11,92 Euro pro Unterrichtseinheit übrig. Weder Vorbereitung noch Urlaub oder Krankheit werden entlohnt. Bei einem vollen Lehrdeputat von 25 Wochenstunden bleiben 1190 Euro Nettolohn übrig. „Manche von uns haben wegen Nachforderungen Schulden bei der Rentenversicherung zwischen 20 000 und 40 000 Euro“, sagte Spaan.

Nun haben sich die freiberuflichen Mitarbeiter der VHS Potsdam Gehör verschafft. Mit der Forderung, ihr Honorar bis 2017 auf 30 Euro pro Stunde anzupassen, sind sie auf dem elften Platz im Bürgerhaushalt gelandet. Fast 1500 Stimmen konnten sie zu ihren Gunsten verbuchen. Spaan und Wartenberg haben parallel zu der Abstimmung mit Fraktionspolitikern im Rathaus und im Landtag gesprochen. „Die Resonanz ging von überrascht bis geschockt“, so Wartenberg. Vielen Politikern sei nicht bewusst gewesen, dass das Problem so massiv sei. Die Fraktion Die Andere und Die Linke forderten jeweils in Anträgen, die Honorare der Lehrkräfte anzuheben.

„Es gibt immer mehr prekär Beschäftigte in der Weiterbildung“, sagte auch Joachim Ludwig, Professor für Erwachsenenbildung an der Universität Potsdam. Systematisch unterfinanziert seien die Volkshochschulen schon lange. In den vergangenen zehn Jahren habe allerdings die Zahl der Selbstständigen, die hauptberuflich unterrichten, stark zugenommen. Die Bezahlung trägt dem aber nicht Rechnung. „Von Gehalt kann man gar nicht sprechen“, so Ludwig. „Schmerzensgeld – mehr ist es ja nicht.“ Durch die finanziell prekäre Lage der Beschäftigten sieht er noch ein anderes Problem auf die Volkshochschulen zukommen – das der Qualität. „Die Dozenten haben generell eine geringe Weiterbildungsbereitschaft. Das ist nachzuvollziehen. Bei der schlechten Bezahlung können sie nicht noch zusätzlich in Weiterbildung investieren.“ In ihrem Antrag zum Bürgerhaushalt forderten die VHS-Dozenten auch, in Potsdam das sogenannte Berliner Modell einzuführen. Die Hauptstadt zahlt den freiberuflichen Dozenten Zuschüsse zu den Sozialbeiträgen und Urlaubsentgelt, schließlich ist ein Großteil der Kursleitenden arbeitnehmerähnlich angestellt.

Doch von solch einem Zugeständnis ist Potsdam weit entfernt. Immerhin werden die Stadtverordneten aller Voraussicht nach am Mittwoch für eine Honoraranhebung von 2,50 Euro auf 25 Euro stimmen. Der Hauptausschuss hat dies vergangenen Mittwoch im Zuge der aktuellen Haushaltsverhandlungen beschlossen. Auf eine weitere Erhöhung bis 2017 wollten sich die Politiker nicht festlegen. Auch wird das neue Honorar wahrscheinlich erst ab Sommer gezahlt, wenn der Haushalt abgesegnet ist. Und nicht, zugunsten der Mitarbeiter, rückwirkend zum 1. Januar 2015.

Die Kosten für die VHS-Kurse teilen sich zu je einem Drittel Bundesland, Kommune und die Teilnehmer durch ihre Beiträge. Die Stadt Potsdam will in ihrem Zukunftsprogramm 2019 rund 100 000 Euro bei der Volkshochschule einsparen. Dafür sollen die Kurse besser belegt werden: Im Bundesdurchschnitt waren es 2013 elf Teilnehmer pro Kurs, in Potsdam nur 9,2. Seit die VHS ihren Sitz am zentralen Standort des Bildungsforums hat, sei die Attraktivität gestiegen und die Teilnehmerzahl liege bereits im Schnitt bei zehn, heißt es von der VHS.

Ein Honorar von 30 Euro im Jahr 2017 wäre ein Traum, sagte Dozentin Wartenberg. Dabei ist sie noch bescheiden. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft rechnete 2012 vor, dass das Stundenhonorar für einen Berufsanfänger bei rund 42 Euro liegen müsste, für Lehrkräfte mit zehn Jahren Berufserfahrung bei knapp 61 Euro. Soviel bekommt denn auch ein Kursleiter, wenn er direkt bei der Stadt unterrichtet – im Fortbildungsprogramm für die kommunal Beschäftigten.

   http://www.pnn.de/potsdam/915313/
   Erschienen am 01.12.2014 auf Seite 08

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